Ökologisches Monitoring
Die große Natur-Inventur
Das ökologische Monitoring in Sielmanns Naturlandschaften und in den Biotopverbünden ist ein wichtiges Instrument, um Naturschutzmaßnahmen besser zu planen und deren Wirkung zu messen.
Für alle größeren Stiftungsflächen wird zunächst eine Grundinventarisierung der dort vorkommenden Arten angelegt, um danach Langzeitbeobachtungen anschließen zu können. In vier der fünf Sielmanns Naturlandschaften in Brandenburg findet zudem seit 2018 das Monitoring häufiger Brutvögel statt. In der Döberitzer Heide wird seit 2007 zusätzlich die Vegetation auf vier ausgewählten Flächen jährlich untersucht. Auch in den bundesweiten Biotopverbünden der Stiftung wurden im Berichtsjahr wieder mehrere Monitoringprojekte umgesetzt, die die Artenlisten für die stiftungseigenen Flächen kontinuierlich weiter vervollständigen.
Der Argus-Bläuling ist ein typischer Bewohner der Heidelandschaft. Er ist zum Beispiel an Futterpflanzen wie Ginster und Besenheide zu finden.
Sielmanns Naturlandschaft Kyritz-Ruppiner Heide
Großschmetterlinge erfasst
Im Berichtszeitraum hat die Heinz Sielmann Stiftung in der Kyritz-Ruppiner Heide ein Schmetterlingsmonitoring durchführen lassen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Es konnten nahezu alle für Heidelandschaft und Trockenrasen charakteristische Arten nachgewiesen werden. Oft, wie etwa beim Argus-Bläuling (Plebejus argus), mit hohen Individuenzahlen. Besonders erfreulich ist dabei der erneute Nachweis des Heidekraut-Fleckenspanners (Dyscia fagaria), einer Spannerart, die auf große, offene und stellenweise nur locker mit Heidekraut bewachsene Stellen angewiesen ist, da der Falter am Tage an solchen offenen Bodenstellen ruht. Deutschland hat eine besondere Verantwortung für diese Art.
264 Großschmetterlingsarten
konnten insgesamt nachgewiesen werden.
Sielmanns Naturlandschaft Tangersdorfer Heide
Seltener Fund
Die Rotflügelige Schnarrschrecke (Psophus stridulus) ist eine Heuschreckenart, die trockene und steinige Lebensräume bevorzugt. In Deutschland ist sie extrem selten geworden und wird auf der nationalen Roten Liste als stark gefährdet eingestuft. Im Berichtsjahr konnte die Heuschrecke in der Tangersdorfer Heide erstmals auf einer Fläche der Heinz Sielmann Stiftung nachgewiesen werden. Es ist davon auszugehen, dass die Art von den zusätzlichen 14 Hektar Heidelandschaft profitieren wird, die im Berichtsjahr geschaffen wurden.
Nationale Verantwortung
Forschung zu Forels Kerbameise
Forels Kerbameise (Coptoformica forelii) ist eine Insektenart, die laut nationaler Roter Liste stark gefährdet ist. Da ein großer Anteil der Populationen in Deutschland liegt, wurde sie zur Nationalen Verantwortungsart erklärt. Trotzdem ist bislang nur wenig über die Lebensraumansprüche der Art bekannt. Das soll sich nun ändern: Im Jahr 2023 stand die Kerbameise im Mittelpunkt einer Bachelorarbeit der Universität Potsdam. Geforscht wurde in der Döberitzer Heide. Ein Wissenschaftler der Universität hatte alle Unterlagen studiert, die von einem Vorkommen in der Döberitzer Heide berichteten. Bei einer Exkursion in der Heide konnte die Art dann tatsächlich nachgewiesen werden.
Jörg Fürstenow (links, Heinz Sielmann Stiftung) und Dr. Kolja Bergholz (rechts, Uni Potsdam) stießen im Juni 2022 auf Vorkommen der Forels Kerbameise in der Döberitzer Heide.
Feder-Zwergstachelbein (Maso gallicus)
Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen
Seltene Spinnen entdeckt
2023 wurde in den Mooren von Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen ein Monitoring von Spinnen und Weberknechten durchgeführt. In den drei Untersuchungsgebieten wurden 144 Spinnenarten und acht Weberknechtarten gefunden. Das entspricht rund 21 Prozent der Spinnenarten und 30 Prozent der Weberknechte, die in Brandenburg bekannt sind. Auf der Roten Liste der Spinnen Brandenburgs stehen 33 der nachgewiesenen Arten, das entspricht einem sehr hohen Anteil bedrohter Arten von 23 Prozent.
Astkrabbenspinne (Tmarus piger)
Östlicher Panzerkanker (Astrobunus laevipes)
Strahlenstreckspringer (Marpissa radiata)
Vogelmonitoring
Mitmachen erwünscht!
Auf den bundesweiten Stiftungsflächen kommen viele Brutvogelarten noch häufig vor, die anderswo in Deutschland ausgestorben oder stark gefährdet sind. Die häufigsten Brutvögel werden seit 2018 in Sielmanns Naturlandschaften und auf weiteren stiftungseigenen Flächen durch ein standardisiertes Monitoring erfasst. Die Heinz Sielmann Stiftung arbeitet dabei mit den Standards des Dachverbands Deutscher Avifaunisten. In den Monaten März bis Juni werden monatliche Kartierungen auf vorher festgelegten, einen Kilometer langen Routen vorgenommen. Jeder Vogel, der entlang der Routen zu sehen oder zu hören ist, wird notiert.
Die Mitarbeitenden der Heinz Sielmann Stiftung sind dabei dringend auf ehrenamtliche Helfer:innen angewiesen. Wer Lust hat, sich an der wissenschaftlichen Erfassung der Brutvögel zu beteiligen, kann sich gerne bei der Heinz Sielmann Stiftung melden.
26 Routen
werden mehrmals im Jahr begangen, um die Vogelvielfalt zu erfassen.
Charaktervögel der Offenlandschaft
Wiedehopfe gezählt
Der gefährdete Wiedehopf (Upupa epops), von dem es deutschlandweit nur noch 800 bis 950 Paare gibt, fühlt sich in Sielmanns Naturlandschaften Brandenburg besonders wohl. In der Döberitzer Heide, der Kyritz-Ruppiner Heide, der Tangersdorfer Heide und in Wanninchen gibt es noch stabile Bestände des bunten Charaktervogels. Die Art profitiert dort von dem artenreichen Offenland mit seinem breiten Nahrungsspektrum an großen Insekten. Außerdem hat die Heinz Sielmann Stiftung in allen Naturlandschaften viele Nistkästen für den Wiedehopf angebracht, die sehr gut von den Vögeln angenommen werden.
In der Kyritz-Ruppiner Heide und in der Döberitzer Heide wurde auch 2023 der Nachwuchs bei den Wiedehopfen gezählt. In der Kyritz-Ruppiner Heide wurde nach dem Rekordergebnis aus dem Vorjahr (60 Jungvögel) diesmal lediglich 27 Jungvögel festgestellt. Ein möglicher Grund dafür: Ein Habichtpaar hatte sich wahrscheinlich auf die Jagd auf Wiedehopfe spezialisiert. In der Döberitzer Heide wurde mit 56 Jungvögeln dagegen das Ergebnis des Vorjahres (50) übertroffen.
Wer guckt denn da: Ein junger Wiedehopf in einem Brutkasten.
Rüsselkäfer mit markantem „Entenschnabel“: der Plattnasen-Holzrüssler.
Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide
Kurioser Urwaldkäfer
Der Plattnasen-Holzrüssler (Gasterocercus depressirostris) ist eine sogenannte Urwaldreliktart aus Auenwäldern und kommt nur in sehr alten naturnahen Eichenwäldern vor. Im Sommer 2023 wurde diese als stark gefährdet geltende Art erstmals in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide unter uralten Eichen bei Krampnitz nachgewiesen.
Die Larven dieses Rüsselkäfers entwickeln sich in absterbenden Eichen. 70 Prozent der Waldfläche in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide sind mit Eichen bewachsen, darunter viele Exemplare, die schon mehrere hundert Jahre alt sind. Die Heinz Sielmann Stiftung sorgt dafür, dass die uralten Eichen ihren natürlichen Lebenszyklus vollenden können. Deshalb findet der Plattnasen-Holzrüssler hier ideale Bedingungen für sein Überleben.
6 Fledermausarten
nutzen die alten Bunker auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz als Quartier.
In den kühlen Gemäuern alter Militärbunker finden Fledermäuse wie diese Fransenfledermaus (Myotis nattereri) passende Quartiere.
Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide
Winterzählung der Fledermäuse
In Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide erfolgt ein jährliches Monitoring der Fledermausbestände. Der ehrenamtliche Fledermausbetreuer Klaus Thiele hat im Berichtsjahr 16 Winterquartiere besucht und insgesamt 268 Fledermäuse gezählt. Wie im Vorjahr hat er dabei sechs verschiedene Arten nachgewiesen: Fransenfledermaus, Wasserfledermaus, Großes Mausohr, Braunes Langohr, Zwergfledermaus und Graues Langohr. Am häufigsten wurde die Fransenfledermaus gezählt (92 Individuen), auf dem zweiten Platz landete die Wasserfledermaus (62). Auch einige Individuen des Grauen Langohrs (4) waren dabei. Die Bestandszahlen vieler heimischer Fledermausarten sind allgemein stark rückläufig, weil es an Nahrung und an geeigneten Sommer- und Winterquartieren fehlt. Die Döberitzer Heide mit ihrem großen Insektenvorkommen, alten Bäumen und Bunkern ist für die geschützten Tiere ein wichtiges Refugium.
Naturlandschaften unter der Lupe
Die Heinz Sielmann Stiftung arbeitet kontinuierlich daran, das Arteninventar ihrer Naturlandschaften möglichst umfassend zu erfassen. Dazu werden aktuelle Monitoringberichte und die Ergebnisse älterer Untersuchungen kontinuierlich zusammengetragen und verglichen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse helfen auch bei der Planung weiterer Untersuchungen. 732 Arten wurden 2023 in Sielmanns Naturlandschaften neu nachgewiesen.
Die Artenzahl in Sielmanns Naturlandschaften setzt sich wie folgt zusammen (Stand Dezember 2023):
Mit 6.541 Arten
sind für die Döberitzer Heide sogar mehr Arten ermittelt worden als für den Müritz-Nationalpark.
30 bis 60 Kilogramm pflanzliche Nahrung vertilgt ein ausgewachsener Wisent (Bison bonasus) pro Tag. Der dabei produzierte Dung ist wiederum Nahrung und Lebensraum für eine Vielzahl von Dungkäfern und anderen Arten.
Wisentdung für die Forschung
Im Berichtsjahr waren die Hinterlassenschaften der Wisente in der Döberitzer Heide begehrte Forschungsmaterialien. Ein Teil des Dungs ging an eine dänische Universität. Anhand der enthaltenen DNA erforschten die Wissenschaftler:innen unter anderem, welche Pflanzen die Tiere gefressen haben, welche Insekten sie aus Versehen mitgeschluckt haben und welche Kot liebenden Arten sich über die Fladen hergemacht haben. Auch in Polen ist man an dem Dung der Wisente interessiert. Dort untersuchten die Forscher:innen die Konzentration eines Stresshormons. Zudem erfolgte eine Nahrungsanalyse, um mögliche von der Jahreszeit abhängige Veränderungen zu dokumentieren. Die Ergebnisse sollen mit denen anderer Wisentpopulationen verglichen werden.
Sielmanns Biotopverbünde
Vielfalt braucht vernetzte Lebensräume
Neben den großen Naturlandschaften in Brandenburg unterhält die Heinz Sielmann Stiftung mittlerweile sieben Biotopverbünde in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Niedersachsen. Sie bilden für viele Arten wichtige Trittsteinbiotope und Wanderkorridore. Die Artenzusammensetzung der Biotopverbünde wird ebenfalls schrittweise systematisch erfasst.
19 Fledermausarten im Waldbiotop Weißenstein
Wegen seiner über Jahrhunderte gewachsenen Struktur und der relativen Ungestörtheit gilt das Waldbiotop Weißenstein in der Schwäbischen Alb als besonders artenreich und ökologisch wertvoll. Das wurde durch ein ausgedehntes Fledermausmonitoring, das 2022 in Auftrag gegeben wurde und dessen Auswertung im Berichtsjahr erfolgte, eindrucksvoll bestätigt. Auf der 95 Hektar großen Fläche wurden 19 verschiedene Fledermausarten nachgewiesen! Zu den seltensten Funden zählen dabei die Alpenfledermaus (Hypsugo savii), die bis 2007 in Deutschland als ausgestorben galt, sowie das laut nationaler Roter Liste vom Aussterben bedrohte Graue Langohr (Plecotus austriacus).
Die in Deutschland extrem seltene Alpenfledermaus konnte im Waldbiotop Weißenstein mithilfe von Detektoren für Fledermausrufe nachgewiesen werden.
Bei der Gabel-Azurjungfer ist der Name farbliches Programm.
Biotopverbund Bodensee
Libellen-Vielfalt am Sielmann-Weiher
Das Anlegen von Kleingewässern für Amphibien und andere Arten ist eine der zentralen Maßnahmen zur Aufwertung der Biotopverbünde. Wie gut das funktioniert, zeigt sich am Sielmann-Weiher bei Sigmaringen, der erst 2020 in einem ehemaligen Fichtenforst angelegt worden ist. Bei einem Monitoring, das im Berichtsjahr ausgewertet wurde, konnte dort eine enorme Vielfalt von Libellenarten nachgewiesen werden. Unter den nachgewiesenen Arten befand sich auch die extrem seltene und zum ersten Mal im Landkreis nachgewiesene Gabel-Azurjungfer (Coenagrion scitulum). Ebenfalls selten und als „stark gefährdet“ gilt in Baden-Württemberg die Gemeine Binsenjungfer (Lestes sponsa). Insgesamt wurden ein Drittel aller in Deutschland heimischen Libellenarten am Sielmann-Weiher nachgewiesen.
30 verschiedene Libellenarten
wurden am Sielmann-Weiher gefunden.
Der Schilf-Streckspringer trägt seitlich der Frontalaugen jeweils zwei dichte Borstenbüschel, die wie lange, schwarze Wimpern aussehen.
Biotopverbund Südbayern
Die Springspinne mit den schönen Augen
Bei einem Artenmonitoring an einem Toteisloch im Biotopverbund Südbayern ging dem Biologen Jörg Müller ein besonderer Fang ins Netz seines Keschers: drei Exemplare des Schilf-Streckspringers (Mendoza canestrinii), einer Springspinnenart mit besonders schönen Augen, die eigentlich nur südlich der Alpen verbreitet ist. Müller sieht in dem seltenen Fund auch ein sichtbares Symptom der klimatischen Veränderungen.
Biotopverbund Bodensee
Laubfrosch auf ehemaligem Maisacker
Auf einer Stiftungsfläche bei Überlingen ist bei einem Monitoring neben zahlreichen anderen Arten auch der Europäische Laubfrosch (Hyla arborea) nachgewiesen worden. Der seltene Frosch gilt laut nationaler Roter Liste als gefährdet. Die Art wurde auf einer Fläche gefunden, die 2020 noch als Maisacker genutzt worden war. 2021 hat die Stiftung dort vier Flachgewässer angelegt, die Teile des Biotopverbunds Bodensee sind.
Dank spezieller Saugnäpfe an den Enden seiner Finger und Zehen kann der Laubfrosch als einzige heimische Amphibienart an den Stengeln und Blättern von Pflanzen hinaufklettern.
Diese Sichtung ist eine kleine Sensation: Der Triel ist in Deutschland als Brutvogel verschwunden. Als Durchzügler ist er noch ein seltener Gast, wie hier am Flüthewehr.
Ehrenamtliche kartieren Libellen, Brutvögel und Amphibien
Das Flüthewehr an der Leine ist ein ehemaliger Intensivacker, den die Heinz Sielmann Stiftung seit 2020 in Zusammenarbeit mit der Stadt Göttingen und der Satorius AG zu einer naturnahen, von Zwergzebus beweideten Biotopfläche umgestaltet hat. Durch regelmäßige Erfassung der dort vorkommenden Arten soll die Entwicklung der Fläche dokumentiert werden.
Im Berichtsjahr haben verschiedene Ehrenamtliche beim Monitoring geholfen. Eine Studentin hat ihre Abschlussarbeit über die Vegetationstypen am Flüthewehr geschrieben. Zwei weitere Ehrenamtliche dokumentierten regelmäßig die vorkommenden Libellen- und Vogelarten. Bei den Vögeln gab es einen besonderen Fund: Bei einem Kontrollgang wurde ein Triel (Burhinus oedicnemus) nachgewiesen. Triele leben in offenen, kargen Landschaften mit spärlicher Vegetation, vor allem in Südeuropa. In Deutschland ist die Art so gut wie ausgestorben.
Die Biotoplandschaft am Flüthewehr vereint landwirtschaftliche Nutzung, Naherholung, Umweltbildung und Naturschutz.
Kontakt
Dr. Jörg Müller
Ökologisches Monitoring
Tel. +49 (0)5527 914-422 Mobil: +49 (0)151 61556122 joerg.mueller@sielmann-stiftung.de
Zur Döberitzer Heide 9 14641 Wustermark / OT Elstal
DIE 17 GLOBALEN ZIELE FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
In zahlreichen Projekten übernimmt die Heinz Sielmann Stiftung globale Verantwortung und setzt lokale Maßnahmen um, die dazu beitragen, unsere Welt nachhaltig zu gestalten.